Kastellaun / Hunsrück, NATURE ONE – Spaß ohne Grenzen? Die Polizei zieht eine erschreckende Bilanz
Zum 13. Mal fand am zurückliegenden Wochenende auf der ehemaligen Raketenbasis Pydna bei Kastellaun die größte Rave-Veranstaltung Deutschlands statt.
Rund 50.000 Besucher lockte die NATURE ONE laut Veranstalter in diesem Jahr wieder in den Hunsrück. Das entspricht in etwa den Zahlen aus den Vorjahren.
Die Besucher kamen aus ganz Deutschland, aber auch aus den angrenzenden europäischen Nachbarländern, insbesondere den BeNeLux-Staaten und Frankreich.
Das Beste vorneweg: Die Veranstaltung verlief ausgesprochen friedlich und aggressionsfrei – und setzte damit eine gute Tradition fort!
Alarmieren muss aus polizeilicher Sicht allerdings die Kontrollbilanz hinsichtlich des Drogenkonsums vor, während und nach dem „Happening“. Nahezu 1.000 Einsatzkräfte der Polizei Rheinland-Pfalz, der Bundespolizei sowie des Zolls waren seit Donnerstag bis in die Nacht zum heutigen Dienstag im Einsatz. Der größte Teil davon war im unmittelbaren Veranstaltungsbereich eingesetzt, daneben fanden aber auch auf den Autobahnen und Zu- bzw. Abfahrtswegen sowie auf den Bahnhöfen in Koblenz und Mainz umfangreiche Kontrollen statt.
Hier zunächst die erschreckenden Zahlen:
2007 2006 2005 2004
Strafanzeigen gesamt 834 758 702 518
davon gegen das BtmG 776 678 601 406
Fahren unter Drogeneinfluss 193 119 159 162
Fahren unter Alkoholeinfluss 4 5 8 3
Sicherstellungsmengen (Auszug):
- Ecstasy / Stück 2.574 2.630 2.957 2.284
- Amphetamine und Derivate / in Gramm (g) 1.268 1.920 981 489
- Haschisch / g 311 448 491 524
- Marihuana / g 891 634 568 495
- Kokain / g 32 33 14 5
- LSD-Trips / Stück 689 184 103 227

Sicherheitsleistungen in Euro 39.095 20.600 15.510 16.035
(Hinweis: Die Kontrollergebnisse aus dem Bereich der Verkehrsdirektion Mainz sind aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den Zahlen aus den Vorjahren hierin noch nicht enthalten und müssen noch hinzu addiert werden. Siehe hierzu die separate Medieninformation des PP Mainz)
Erschreckend sind die Zahlen vor allem unter zwei Gesichtspunkten:
Die erste Auffälligkeit ergibt sich aus der mehr als Verdreifachung der sichergestellten LSD-Trips, eines hochgefährlichen Halluzinogens!
Besonders kritisch ist hierbei zu sehen, dass der starke Zuwachs nicht auf ein oder zwei großen Einzelsicherstellungen beruht, sondern sich aus einer ganzen Reihe von Aufgriffen summiert. Die Betroffenen führten manchmal nur einen oder einstellige Stückzahlen an LSD-Trips mit, aufgegriffen wurden aber auch Dealer, die 26, 76 und in einem Fall 81 Trips dabei hatten.
„Im Drogenbereich gilt: Nur wo ein Markt ist, sind auch Händler. Daher sehe ich in dem Anstieg bei den LSD-Trips einen Hinweis auf ein geändertes Konsumentenverhalten,“ lautet hierzu die erste Einschätzung eines erfahrenen Rauschgiftermittlers.
Nicht weniger alarmierend ist die ebenfalls hohe Zahl an Fahrten unter Drogeneinwirkung.
Dies erstaunt umso mehr, als die polizeilichen Kontrollen
- in jedem Jahr durchgeführt werden und zumindest regelmäßigen Festivalbesuchern hätten bekannt sein müssen
- lange im Vorfeld offensiv über Medien und Internet angekündigt waren und
- durchweg „offen“ (d.h. mit uniformierten Beamten und weithin sichtbar)
angelegt waren.
Das lässt vermuten, dass die Betroffenen entweder so stark unter Drogeneinwirkung standen, dass sie sich ihres Handelns nicht bewusst oder dass ihnen die Konsequenzen schlichtweg egal waren!
Wobei mit „Konsequenzen“ nur am Rande die rechtlichen Folgen angeführt seien.
Viel schwerer wiegt das enorm erhöhte Risikopotential, das sich aus einer Rauschfahrt für alle anderen Verkehrsteilnehmer, die Mitfahrer und nicht zuletzt für die Betroffenen selbst ergibt.
„Die sind offensichtlich nicht mehr auf dieser Welt unterwegs“, kommentiert Polizeihauptkommissar Peter Melles das entweder extrem aufgekratzte oder lethargisch-abwesende Verhalten dieser zumeist jungen Autofahrer.
Besorgniserregend ist nach Ansicht der eingesetzten Beamten auch die Hochrechnung auf das Gesamtkonsumverhalten:
Obwohl die Polizei trotz starken Kräfteansatzes nur selektiv kontrollieren konnte, war fast „jeder Schuss ein Treffer.“
Rückmeldungen der Drogenfahnder vor Ort schwanken je nach Tages-/Kontrollzeit zwischen: „Mindestens jeder Dritte stand unter Drogeneinfluss.“ bis hin zu: „Ich habe überhaupt nur ein einziges Auto kontrolliert, in dem nicht entweder der Fahrer bekifft war oder zumindest bei einem Mitfahrer Drogen gefunden wurden!“
Auf den Punkt gebracht könnte man es auch so ausdrücken:
Hätte die Polizei mit doppelt so vielen Beamten kontrolliert, wären die Zahlen voraussichtlich auch doppelt so hoch ausgefallen!
Gerade in der unkalkulierbaren Langzeitwirkung der Drogen liegt der große Unterschied zu Alkohol und das macht die Teilnahme am Straßenverkehr zu einem (tagelangen?) Vabanque-Spiel.
Hier sei auch noch einmal auf den sich scheinbar abzeichnenden Trend zu LSD hingewiesen. Gerade dieser Droge ist berüchtigt für unvorhersehbare Flashbacks.
Dass es sich hierbei nicht um bloße Schwarzmalerei der Polizei handelt, belegen zumindest zwei Vorfälle in Mainz und Koblenz: In beiden Städten hatte die Polizei mit Drogenkonsumenten zu tun, die sich im Drogenrausch derart in Wahnvorstellungen gesteigert hatten, dass sie mit den Köpfen gegen Mauern liefen bzw. völlig orientierungslos durch die Innenstadt irrten. Beide mussten medizinischer Fachbetreuung zugeführt werden.
Die NATURE ONE 2007 ist vorbei und es grenzt schon an ein kleines Wunder, dass es in der Region nicht zu einem schwerwiegenden Verkehrsunfall gekommen ist. Niemand weiß allerdings, ob die Besucher nicht im Verlauf der weiteren Heimfahrt irgendwo am Kamener Kreuz oder am Drackensteiner Hang verunglückt sind, ohne dass den aufnehmenden Polizeidienststellen der Zusammenhang zu der Rave-Veranstaltung klar wurde.
Neben der nach solchen Großeinsätzen üblichen internen Nachbereitung wird die Polizei ihre Erfahrungen und Beobachtungen auch in die Vorbereitungsgespräche mit Politik und Verwaltung für die sich abzeichnende NATURE ONE 2008 einfließen lassen.
Es erhebt sich die Frage, ob eine Veranstaltung, bei der (mindestens) jeder dritte oder vierte Besucher sich mehr oder weniger offen dem Drogenkonsum hingibt, nicht mit weitaus strengeren Auflagen an den Veranstalter verbunden werden muss bzw. ob sie überhaupt genehmigungsfähig ist. Neben Fragen des Jugendschutzes und der Verkehrssicherheit steht dabei wohl auch das Vertrauen in die Rechtsordnung bzw. die Glaubwürdigkeit des Rechtstaates auf dem Spiel.
07.08.2007, 14:21 - Verkehrsdirektion Mainz
Mainz, Erschreckendes Kontrollergebnis bei der Abreise von „Nature One“
In nahezu jedem dritten kontrollierten Auto auf der Heimreise von dem Technofestivals „Nature One“ in Kastellaun hat die Polizei Drogen gefunden. Jeder fünfte kontrollierte Autofahrer setzte sich sogar unter Drogeneinfluss ans Steuer und das ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.
Seit vergangenem Mittwoch (01.08) kontrollierten Beamte der Verkehrsdirektion Mainz und Polizeidirektion Bad Kreuznach auf der A 61 den an- und abreisenden Verkehr zur Raketenbasis Pydna. Erfahrungsgemäß kommen die Festivalbesucher aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem benachbarten Ausland. Vom 03.08. bis 05.08.2007 bietet die Technoveranstaltung eine Plattform für den Drogenkonsum. Daraus entwickelt sich jedes Jahr ein enormes Gefahrenpotential auf den Autobahnen, denn viele Teilnehmer sind dort unter Drogeneinfluss hunderte von Kilometern unterwegs.
Auch wenn die Verkehrsdirektion Mainz an sechs Tagen mit etwa 50 Beamten Kontrollen durchführten, stellen die überprüften Fahrzeuge und deren Insassen nur einen Bruchteil der gesamt Besucherzahl da. Bei den aufgefundenen Drogen handelt es sich dabei vermutlich um die Spitze des Eisberges.
Insgesamt wurden von der Verkehrsdirektion und Polizeidirektion Bad Kreuznach 267 Fahrzeuge sowie 363 Personen kontrolliert. Hieraus ergaben sich folgende Maßnahmen:
Am 03.08.2007 wurden zwei jungen Männer aus Wiesbaden (20/22) wegen des Auffindens einer nicht geringer Menge Amphetaminen und Marihuana vorläufig festgenommen. Bei der anschließenden Durchsuchung ihrer Wohnungen in Wiesbaden konnten weitere Drogen aufgefunden werden.
In 24 Fällen stellten die Beamten den Besitz illegaler Betäubungsmittel fest, 59 Fahrer standen unter Drogeneinwirkung und 2 junge Männer führten ein Auto trotz Alkoholeinwirkung. Zwei Fahren besaßen keine Fahrerlaubnis
In einem Fall lag wegen des Besitzes eines unzulässigen Klappmessers ein Verstoß gegen das Waffengesetz vor.
Die Beamten ordneten insgesamt 58 Blutentnahmen an, stellten 220 Gramm Marihuana, 3 Gramm Haschisch, 93 Gramm Amphetamine, 40 Ecstasytabletten, zwei Joints und 1 Gramm Kokain sicher.
Da auch einige Fahrer aus dem Ausland stammten wurden 21 Sicherheitsleistungen erhoben.
Insgesamt fertigten die Beamten 85 Strafanzeigen und 58 Ordnungswidrigkeitenanzeigen und leisteten hierzu etwa 500 Einsatzstunden.
Die Erfahrungen decken sich mit denen der Polizeipräsidien Koblenz und Trier und stellen eine bedauerliche Fortsetzung der Kontrollergebnisse der letzten Jahre aus gleichem Anlass dar.