Jochen geht's wohl nicht so gut.
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Bergstraße.Ein 38-jähriger Mann aus Viernheim steht unter Verdacht, seinen Vater und dessen Lebensgefährtin attackiert und verletzt zu haben. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe zurück. Wegen psychischer Auffälligkeiten ist er vorläufig in einer Klinik für forensische Psychiatrie untergebracht. Gestern begann vor der 15. Großen Strafkammer des Darmstädter Landgerichts das Sicherungsverfahren, in dem mehrere Zeugen und der Beschuldigte selbst angehört wurden.Richterin Barbara Bunk, Schöffen, Anwälte und Staatsanwaltschaft hörten eine über weite Teile bizarre Geschichte, die der mutmaßliche Täter gelassen, sprachlich geschliffen und mit dramaturgischer Genauigkeit vortrug. "Ich muss sämtliche Beschuldigungen zurückweisen, weil ich mich nicht an so etwas erinnern kann", sagte der gelernte Elektromechaniker, der unter anderem wegen Drogenbesitzes vorbestraft ist.Die Staatsanwaltschaft geht für den Zeitraum der Taten von einem Zustand der Schuldunfähigkeit des Mannes aus. Konkret bescheinigt man ihm eine eingeschränkte Einsichtsfähigkeit. Die Anklage sprach von einer paranoiden Schizophrenie - eine psychische Erkrankung, die häufig von Wahnvorstellungen und Persönlichkeitsstörungen geprägt ist. Dr. Beate Eusterschulte, stellvertretende Direktorin der Klinik für forensische Psychiatrie in Haina und Gießen, stellte das psychiatrische Gutachten vor.Jochen K. (Jahrgang 1975) wird vorgeworfen, am 22. Dezember 2013 aus Verärgerung darüber, dass er weder von seinem Vater noch von dessen Lebensgefährtin Geld erhalten hatte, den Seitenspiegel des Kleinwagens der Zeugin abgetreten zu haben. Wenig später soll er sie unvermittelt mit Fäusten ins Gesicht geschlagen und dann auf die am Boden liegende Frau eingetreten haben. Am 26. Januar soll er mit dem Fahrrad auf seinen Vater vor dessen Wohnung zugefahren sein und mit einem 30 Zentimeter langen Küchenmesser auf ihn eingestochen haben. Der Geschädigte erlitt eine oberflächliche Einstichwunde oberhalb des Bauchnabels sowie am rechten Mittelfinger.Die psychischen Störungen des Mannes reichen viele Jahre zurück. Wiederholt hatten Ärzte den Verdacht auf drogeninduzierte Psychose geäußert. Der 38-Jährige gab an, seit gut 20 Jahren Cannabis konsumiert und auch in seiner Wohnung angebaut zu haben.Der Vater beschrieb seinen Sohn als normales, ausgeglichenes Kind. In den letzten zwei Jahrzehnten habe sich aber sein Wesen stark verändert. Der Sohn habe sich "rundum observiert" und verfolgt gefühlt. Von Verschwörungstheorien war die Rede. Es gab verstärkte Wutanfälle und aggressives Verhalten.Jochen K. machte vor Gericht Vater und Schwester für den Tod der Mutter verantwortlich. Auf der Internetplattform "You Tube" sei er auf Filmmaterial gestoßen, dass die beiden bei rituellen Handlungen zeige, während derer die Mutter mit einer Giftspritze getötet werde. Die Frau war 2009 an einem Herzinfarkt unerwartet im Klinikum Mannheim gestorben. In einem weiteren Film habe er sich selbst in Zwangsjacke auf einem Bett liegend entdeckt. Diese decke sich mit persönlichen Erfahrungen: Kurz nach seiner Ankunft im Zentrum für Soziale Psychiatrie Bergstraße in Heppenheim im Jahr 1996 sei er dort ebenfalls mit einem "Nervengift" ruhiggestellt worden. Seine Schwester habe ihn dort zwangseinweisen lassen.In die "abstoßenden Internetfilme" habe er sich regelrecht hineingesteigert, so der Vater, der seinem Sohn immer wieder finanziell aufgeholfen hatte. Mit dem Angriff auf seine Lebensgefährtin sei aber "eine rote Linie überschritten" worden. Bis zur Messerattacke seien keinerlei persönliche Kontakte zustande gekommen. "Ich habe Angst vor ihm." Auch vor Gericht hielt er Distanz.Der Beschuldigte gab an, zum Zeitpunkt der Tat mit Werkzeug unterwegs gewesen zu sein - darunter auch ein "Brotmesser", das als Ersatz für eine Säge mitgeführt habe. Dabei sei er auch an der Wohnung des Vaters vorbeigekommen. Später sei er von der Polizei gestoppt worden - warum, wisse er nicht. Er habe mit dem Vater weder gesprochen noch ihn berührt.Sein Betreuer, ein Weinheimer Sozialarbeiter, charakterisiert den Viernheimer als grundsätzlich angenehmen Menschen, dessen Handlungen und Ideen ihm aber "immer unheimlicher" wurden. Daher habe er eine Unterbringung beantragt. Die Verhandlung wird am nächsten Freitag fortgesetzt.